Die vorliegende Studie unternimmt eine medien- und sozialhistorisch kritische Neubeschreibung des Erzählanfangs mittelhochdeutscher Romane, den die Forschung aufgrund seiner scheinbaren Konventionalität bislang oft vernachlässigt hat. Im Kontext der semi-oralen Rezeptions- und Performanzsituation des Mittelalters werden Varianzen in der Überlieferung des Texteingangs nicht als Verderbnis betrachtet, sondern ihnen wird eine kommunikative Funktion zugeschrieben. Anhand detaillierter Einzelanalysen dreier Romane aus dem 13. Jahrhundert (,Flore und Blanscheflur', ,Wigalois', ,Wigamur') wird die erzähltechnische und rezeptionslenkende Funktion des variablen Anfangsrahmens untersucht, die Rückschlüsse auf die (epochenspezifische) Wahrnehmung von Welt erlaubt. Mit dem textanalytischen Modell des ,Wechselrahmens' und der detaillierten Betrachtung paratextueller Elemente eröffnet die Studie neue Perspektiven auf den Erzählanfang als integralen Bestandteil des mittelalterlichen Romans.