Als erzählerische Produktivkraft setzt Begehren in der Literatur des späten 12. Jahrhunderts Dynamiken in Gang, die zwischen- und gleichgeschlechtliche Verhältnisse je unterschiedlich konfigurieren.
Im Dialog mit den historischen Diskursen zu Geschlecht und ‚Sexualität‘ justiert der Grundlagenteil die theoretisch-methodischen Instrumentarien der intersektionellen Gender und Queer Studies für den vormodernen Gegenstand. Die Lektüren des zweiten Teils (zum
Rolandslied
,
Eneasroman
und
Nibelungenlied
) konzentrieren sich auf Texte in heroischer Erzähltradition: Noch vor der Modellbildung höfischer Minne zwischen den Geschlechtern treten auf dem literarischen Spielfeld von Identität und Differenz die Wechselverhältnisse von homosozialem und heterosozialem Begehren mit besonderer Prägnanz in Erscheinung.
Das kulturwissenschaftlich ausgerichtete Buch bietet neben Analysemodellen für mediävistische Gender und Queer Studies einen Überblick zu den Kategorien ‚Sexualität‘ und Geschlecht im historischen Diskursumfeld. Die Fallstudien zu drei zentralen Texten der frühen mittelhochdeutschen Erzählliteratur beziehen erstmals systematisch gleichgeschlechtliche Konstellationen in die Untersuchung von Liebe, Freundschaft und Begehren mit ein.