Mit dem Aufstieg positivistischen Denkens rückt im 19. Jahrhundert das Verhältnis von naturwissenschaftlichen und ästhetischen Erkenntnisformen verstärkt ins Interesse künstlerischer und wissenstheoretischer Auseinandersetzung. Anhand von drei kanonischen Romanen des französischen Realismus-Naturalismus zeigt sie auf, wie programmatischer Wissenschaftsanspruch und Strategien zur Erzeugung literarischer Anteilnahme in einen funktionalen Zusammenhang treten: Gustave Flauberts Madame Bovary , Jules und Edmond de Goncourts Germinie Lacerteux und Émile Zolas Thérèse Raquin setzen den Leser in unterschiedlicher Weise in eine affektive Beziehung zu der Fiktionswelt und den Romanfiguren und schaffen so eine emotionale Lektüreerfahrung, die als spezifisch ästhetische Erkenntnisform konkurrierende Wissensdiskurse adaptiert, ergänzt und teils unterminiert.
Die Grundlage für die Textanalysen bilden eine wirkungsästhetisch-kognitionswissenschaftlich fundierte Theorie literarischer Anteilnahme und eine Untersuchungsheuristik zur Beschreibung von Emotionalisierungsstrategien in fiktionalen Erzählungen. Damit leistet die Arbeit einen innovativen Beitrag zur literaturwissenschaftlichen Emotionsforschung, zur allgemeinen Erzähltheorie wie auch zum interdisziplinären Themenfeld Wissen und Ästhetik, der für ein Publikum weit über die romanistische Fachdebatte hinaus von Relevanz ist.