Die Studie analysiert den Einfluss der Rechtskasuistik auf eine entstehende Poetik der Prosa zwischen 1650 und 1750. Ihre Grundthese lautet, dass das Erzählarchiv der Juristen wegweisend für die Entstehung der literarischen Fallprosa war. Der Untersuchung liegt die Annahme zugrunde, dass dem rhetorischen Begriff der Umstände ( circumstantiae ) für die Bestimmung dieses Verhältnisses eine Schlüsselrolle zukommt. Poetologische und juristische Erkenntnisinteressen konvergierten in der Frage danach, wie Umstände dargestellt werden können Die historisch-empirischen Disziplinen der Frühen Neuzeit wiederum griffen die Umstandstechnik auf und machten aus ihr die Grundlage einer Einzelfallwissenschaft. Entlang dreier paradigmatischer Autoren – Harsdörffer, Thomasius und Gayot de Pitaval – schreibt die Studie eine Geschichte derjenigen Verfahren, die die rhetorischen circumstantiae zu einem Erkenntnisinstrument, einer konjekturalen Urteilsform und einer Technik prosaischer Bindung haben werden lassen. Sie ergänzt damit die Studien zu literarischen Fallgeschichten um eine Vorgeschichte, in der ,Fälle‘ noch nicht gleichbedeutend mit devianten oder kranken Individuen waren. Vielmehr wurden sie als ,Casus‘ diskutiert, die durch die spezifische Konstellation ihrer Umstände allererst zum Einzelfall wurden. ,Umstände erzählen‘ legt somit den Grundstein für eine Literaturgeschichte kasuistischer Prosaformen in der Frühen Neuzeit.