Während sich um den Holocaust ein eigenes literaturwissenschaftliches Forschungsgebiet gebildet hat, ist dies im Blick auf die literarische Verarbeitung der sowjetischen Straf- und Zwangsarbeitslager nicht der Fall. Die vorliegende Studie liefert einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke. Wie sich die Gefangenschaft im stalinistischen Gulag und seinen Nachfolgelagern auf die Identität von Häftlingen auswirkt und wie sie sich literarisch spiegelt, wird anhand der Zeugnisse zweier bekannter und zweier bislang noch kaum entdeckter russischer Autoren untersucht. Die Analyse von Werken der Lager-Überlebenden Varlam salamov, Lev Konson, Naum Nim und Andrej Sinjavskij zeigt, dass die Literaturwissenschaft, indem sie die Erfahrung der Gefangenen aus dem Zusammenspiel von Inhalt, Form und Sprache der Texte erhellt, einen eigenständigen Beitrag zur Aufarbeitung der sowjetischen Lagervergangenheit leisten kann.