,Der Untergang des Abendlandes', Oswald Spenglers geschichtsphilosophischer Bestseller, lockt in eine zwiespältige, sonderbar stilisierte Universalhistorie. Der Leser - ob von diesem Werk angezogen oder abgestoßen - bleibt in der Regel verwirrt und befremdet zurück. Seit dem Erscheinen des Werks (1918) versuchen Kritiker diverser Fachrichtungen dessen axiomatische Thesen inhaltlich zu beurteilen. In der vorliegenden Studie wird erstmals analysiert, wie Spengler zu den gespaltenen, aber dennoch nach Identität strebenden Grundannahmen seines Früh- und Hauptwerks gelangen konnte. Seiner Aussage folgend, er habe den "Sinn seiner Persönlichkeit als Lehre geformt", ermittelt die Autorin auf der Basis einer originellen interdisziplinären Methodik psychische, philosophische und religiöse Einflüsse auf sein Leben und läßt deren Spiegelungen in seinen Werken sowie in den bio- und autobiographischen Quellen sichtbar werden. Eine grundlegende psychoanalytische Deutung belegt eine Borderline-Persönlichkeitsstörung Spenglers im Zeichen von ,Spaltung und Identität'; die Darstellung der Person und des Werks Nietzsches im Zeichen von ,Dualität und Identität' sowie des Pietismus als einer ,einheitssuchenden Entweder-oder-Weltsicht' ermöglicht es, Spenglers borderlinegeprägtes (Abhängigkeits-)Verhältnis zu seinem Ersatzgott Nietzsche umfassend neu zu bewerten. Diese Studie bietet eine spannende neue Deutung, die aufzeigt, in welcher Weise Spenglers provokante Werke Spiegelbilder seiner gespaltenen, stets nach Identität hungernden Persönlichkeit sind.