Der Mitte der 1990er Jahre einsetzenden ökonomischeren Betrachtung des Europäischen Kartellrechts, auch als »more economic approach« bezeichnet, liegt eine stärkere Betonung der Auswirkungen von Wettbewerbsbeschränkungen auf die Konsumentenwohlfahrt zugrunde. Der »more economic approach«, zum ersten Mal in der vertikalen Gruppenfreistellungsverordnung verankert, zieht sich mittlerweile durch alle Bereiche des Wettbewerbsrechts. Diese Strömung erhebt nicht nur den Anspruch, Eingang in die Gesetzgebung zu fi nden, sondern auch bei der Rechtsanwendung zugrunde gelegt zu werden. Sowohl die unternehmerische Freiheit einschränkenden Regelungen als auch die auf ihrer Grundlage zu treffenden Entscheidungen sollen nach dem neuen Kriterium belastbar ökonomisch abgesichert werden. Während Band 221 der Schriftenreihe (Dr. Thomas Paul) die Chancen und Risiken einer ökonomisierten Missbrauchskontrolle beleuchtet, befasst sich die in diesem Band vorgelegte Dissertation mit der Bedeutung quantitativ-ökonomischer Methoden innerhalb der Zusammenschlusskontrolle.
Die Arbeit zeigt, dass ökonomische Analysen von ihrem Aussagegehalt grundsätzlich geeignet sind, Beweis über rechtsrelevante Tatsachen in Fusionskontrollverfahren zu erbringen, wenn sie adäquat eingesetzt und gleichzeitig die Grenzen, die ihre Anwendung setzt, beachtet werden. Im Rahmen der Untersuchung werden sowohl das materielle Recht als auch das Verfahrensrecht auf dem Gebiet der Fusionskontrolle dargestellt sowie die für das thematische Verständnis notwendigen ökonomischen Grundlagen entwickelt und einer rechtlichen Bewertung unterzogen. Eingehend ausgewertet werden zudem die europäische und die US-amerikanische Entscheidungspraxis auf dem Gebiet der Fusionskontrolle. Gegenüber den in der Praxis oft schwer gerecht zu werdenden hohen Anforderungen an den Nachweis wettbewerbswidriger Wirkungen eines Zusammenschlussvorhabens entwickelt der Verfasser ein eigenes rechtliches Lösungsmodell wechselnder Beweisführungslasten, das auch, wie gezeigt wird, kritischen Testfällen standhält.
Das Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e.V. (FIW) freut sich, mit diesem Band eine Arbeit von hohem wissenschaftlichem Anspruch und praktischem Wert auf einem Gebiet vorzulegen, in dem die Rechtsentwicklung noch am Anfang steht. Sie enthält sowohl für Ökonomen als auch für Juristen wichtige Denkanstöße für den Umgang mit quantitativ-ökonomischen Methoden, die auch für verwandte Gebiete, auf denen der »more economic approach« Einzug gehalten hat, nutzbar gemacht werden können. Wir wünschen dem Band eine gute Aufnahme bei seinen Lesern.