Als Richard von Weizsäcker 1981 in Berlin eine Minderheitsregierung bildete, galt die Stadt als nahezu unregierbar. Gleichwohl erwies sich der Minderheitssenat als politisch handlungsfähiger und stabiler als die beiden vorhergehende Mehrheitsregierungen.
Sven Thomas zeigt in seiner empirischen Untersuchung, dass eines der Erfolgsgeheimnisse Richard von Weizsäckers die informelle Koalition war, eine politische Allianz der regierenden CDU mit einzelnen F.D.P.-Abgeordneten. Auf diese Weise mobilisierte der Weizsäcker-Senat parlamentarische Mehrheiten und sicherte gleichzeitig die Einbindung der Regierungsfraktion und der tolerierenden Abgeordneten in die Arbeit des Senats. So entstand ein regierendes Netzwerk, dem sowohl politische Entscheidungen des Senats als auch des Abgeordnetenhauses zugerechnet werden können. Dies widerspricht der Vorstellung einer strikten Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative, dürfte aber der politischen Praxis weitgehend entsprechen.
Der Autor wertet erstmals Protokolle des Senats aus und stützt sich auf Interviews mit Richard von Weizsäcker, Eberhard Diepgen, Horst Vetter und Norbert Kaczmarek. Seine Studie untermauert die These, dass Minderheitsregierungen auch in Deutschland politisch leistungsfähig sein können.