Die Baracken dem Erdboden gleichgemacht, die Wachtürme abgesägt, der Stacheldraht und die Mordmaschinen längst an den nächsten Ort verbracht - vom Völkermord an den Herero und Nama über den Holocaust, den Terror der Roten Khmer bis zum Massaker von Srebrenica: Das 20. Jahrhundert ist ein Massengrab, in dem sich die jüngsten Toten über die zuvor Ermordeten stapeln, bis man sie nicht mehr sieht.
'Hat es uns gegeben?', fragt Warlam Schalamow in Erzählungen aus Kolyma - und gibt sogleich die Antwort: Ja. Denn, so William T. Vollmann in seiner zutiefst eindrücklichen, die Universalität des Bösen vor Augen führenden Erkundung des Archipels Schalamow, der Chronist des stalinistischen Grauens und einer der bedeutendsten russischsprachigen Autoren jenes Jahrhunderts schrieb mehr als nur Literatur. Schalamows Erzählungen sind vielmehr Zeugnisse - Zeugnisse einer Erfahrung, die Vollmann in seinem eindringlichen Essay in einen reichen Kontext der Extreme stellt, in der Hoffnung, sie dadurch etwas begreifbarer werden zu lassen. Zeugnisse, die uns daran erinnern, die Menschlichkeit all jener nie zu vergessen, die gebrochen, stumpf, hässlich und zum Tier gemacht wurden.