Wie wird die weltweit umstrittene Norm sexueller Bildung in äthiopischen Schulen umgesetzt? Dieses Buch beleuchtet die vielschichtigen Übersetzungsprozesse sexueller Bildung im Spannungsfeld politischer und sozialer Dynamiken. Am Beispiel umfassender sexueller Bildung (CSE) in Addis Abeba zeigt die Autorin, wie die Umsetzung global verankerter Menschenrechte mit sozio-politischen Strukturen interagiert. Sara Kolah Ghoutschi beleuchtet, wie internationale Organisationen, NGOs, Lehrkräfte und Schüler*innen sowie lokale politische Entscheidungsträger*innen die Übersetzung sexueller Bildung mitgestalten. Die Einführung von CSE in Äthiopien ist eng mit internationalen Entwicklungszielen und Debatten über sexuelle sowie reproduktive Rechte verknüpft. Ihre Umsetzung führt jedoch zu Spannungen – sei es durch die Marginalisierung bestimmter Gruppen oder den Einfluss transnationaler antifeministischer Bewegungen. Auf Grundlage der Figurationssoziologie von Norbert Elias zeigt die Autorin, dass Akteur*innen über relative Handlungsspielräume verfügen, die sie gezielt nutzen, um diesen Spannungen entgegenzuwirken. Dabei wird auch deutlich, dass Übersetzungsprozesse immer in soziale Beziehungen eingebettet sind und diese gleichzeitig verändern. Ob diese Prozesse emanzipatorisch oder regressiv sind, hängt maßgeblich von den sozialen Rahmenbedingungen und Hierarchien ab, in denen sie verhandelt werden.
Die Autorin
Sara Kolah Ghoutschi hat ihre Promotion am Zentrum für Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg abgeschlossen.