„In der modernen Gesellschaft“, so Peter L. Berger 1988, „leben noch immer einige Menschen, die eine ältere Lebensform, eine traditionale ‚Ganzheit‘ repräsentieren. Vielleicht sind sie glücklich, und vielleicht sollten wir sie beneiden. Aber für diejenigen, die aus der Quelle des modernen Relativismus getrunken haben, scheint es kein Zurück mehr zu geben.“ Was klingt wie eine Passage aus den Romanen Michel Houellebecqs, bezieht sich auf Robert Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften . Musil, mit dem sich der Wissenssoziologe Berger wiederholt beschäftigte, hatte nicht nur reichlich aus der Quelle des modernen Relativismus getrunken, sondern war angesichts von Krieg und Staatszerfall auch in einem Maße desillusioniert, das zur tiefgreifenden Reflexion der zeitgenössischen Verhältnisse und zum Versuch einer Klärung der Relation von Wirklichkeit und Möglichkeit drängte. Von diesem Versuch nimmt der vorliegenden Band seinen Ausgang. Mit Austin Harrington wird in Musil “an exemplary kind of social theorist“ gesehen und nach dem Potential seiner Schriften für ein Verständnis des modernen Subjekts im Spannungsfeld von Realität und Projektion gefragt. Mit dem „Dichter der Möglichkeiten“ (Kurt Benesch) setzen sich namhafte Vertreter sowohl Literaturwissenschaft wie auch der „Soziologie als Möglichkeitswissenschaft“ (Helmut Klages) auseinander. In Einzelstudien werden die Darstellung von Gesellschaft in den Texten Musils, die Erschaffung der Texte und deren Wirkung untersucht.
Die Herausgeber*innen
Christine Magerski ist Professorin für Neuere deutsche Literatur mit Schwerpunkt Literatursoziologie an der Universität Zagreb.
Dr. Christian Steuerwald ist Lehrkraft für besondere Aufgaben im Bereich Allgemeine Soziologie, Soziologische Theorie an der Universität Bielefeld.