Der Begriff 'Textmusterwissen' bezeichnet in der linguistischen Forschung das Wissen über die typischen, mehr oder weniger stark verfestigten sprachlichen Muster einzelner Textsorten, auf das im Produktions- und Rezeptionsprozess zurückgegriffen wird. Katharina Neumeier entwickelt in ihrer Studie eine Methodik zur Untersuchung von Textmusterwissen historischer Texte. Sie führt textlinguistische, phraseologische und konstruktionsgrammatische Konzepte zu einem integrativen Beschreibungsansatz zusammen, den sie am spätmittelalterlichen Nürnberger Kanzleibrief erprobt. Im Fokus stehen dabei knapp 800 Briefe des Nürnberger Rates vom Beginn des 15. Jahrhunderts. In Gegenüberstellung mit den Lehren brieflicher Formelbücher sowie der Briefüberlieferung Speyers stellt sie die vielfältigen Aspekte des Kanzleibrief-Textmusters differenziert heraus. Die Studie ermöglicht so eine neue Sicht auf diese historische Kommunikationsform und die ihr eigene Formelhaftigkeit.