Hans Winterberg, 1901 in Prag geboren, gehörte zum assimilierten jüdischen Bürgertum der bis 1918 zur k. u. k. Monarchie gehörenden böhmischen Kulturmetropole, in der bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mehrheitlich Deutsch gesprochen wurde. Auf Deutsch publizierten die Prager Literaten Kafka, Rilke und Werfel. Und auch Winterberg, der nur wenige Meter vom Café Arco lebte, dem Treffpunkt der literarischen Avantgarde Prags, war – in erster Linie – deutschsprachig. Winterbergs literarischer Fixstern war Franz Werfel. Ihm widmete er mehrere Zyklen, wobei Dort und Hier einen Höhepunkt nicht nur unter seinen eigenen Liedvertonungen markiert – es handelt sich um ein Meisterwerk der Gattung Vokalmusik mit Ensemble-Begleitung, vergleichbar den ähnlich besetzten, 10 Jahre zuvor entstandenen Chansons madécasses von Ravel. Winterberg wählte vier Gedichte Werfels aus unterschiedlichen Veröffentlichungen und verwebte sie raffiniert zu einem Zyklus, der sich in überraschenden Bildern mit Dingen des Diesseits und des Jenseits befasst. Kongenial findet Winterberg musikalische Entsprechungen zu Werfels lyrisch expressionistischen Tonfall, dem eine feine, surreal-ironische Note eingewoben ist, die so typisch ist für die tschechische Moderne der Zwischenkriegszeit.
Schwierigkeitsgrad: 4-5