Die Staatsanwaltschaft zählt zu den mächtigsten Behörden eines modernen Staatswesens. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat nicht nur das politische Pendel von der Freiheit zur Sicherheit umgeschlagen, sondern hat sich auch die Definitionsmacht in strafrechtlichen und strafprozessualen Fragen von der Justiz zur Staatsanwaltschaft verlagert. Interessen der Strafverfolgung diktieren die politische Agenda; die Staatsanwaltschaften sind bestens gerüstet, sie bestimmen die Diskussion und sie verwalten in eigener Regie fast ausschliesslich den gesamten Bereich der Massenkriminalität. Damit gewinnt aber auch die Aufsicht über die Staatsanwaltschaft eine ganz andere Bedeutung.
Die Staatsanwaltsakademie an der Universität Luzern und das Institut für juristische Grundlagen lucernaiuris der Universität Luzern, haben sich dieser Thematik angenommen und im Spätherbst 2017 eine gemeinsame Tagung mit dem Titel "Die Staatsanwaltschaft im Spannungsfeld von Unabhängigkeit und Aufsicht" organisiert. In einem Sonderheft von forumpoenale werden die überarbeiteten Beiträge der Referenten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Ein Schwerpunkt des Sonderhefts liegt in der rechtshistorischen Aufarbeitung. Die Einführung der Staatsanwaltschaft in den Kantonen und die Schaffung der Bundesanwaltschaft im Laufe des 19. Jahrhunderts waren von heftigen politischen Kontroversen begleitet. Einige Beiträge setzen sich mit den unterschiedlichen Aspekten dieser spannungsvollen, bisher kaum untersuchten Geschichte auseinander. Beleuchtet wird aber auch die Veränderung der Funktion der Staatsanwaltschaft im Gesamtgefüge der staatlichen Gewalten. Es wird aufgezeigt, wie sie sich vom einst verlängerten Arm der Exekutive zu einer einstweilen zwar immer noch zwischen Verwaltung und Justiz angesiedelten, aber in ihrer Tätigkeit weitgehend unabhängigen Strafbehörde entwickelt hat. Schliesslich liegt erstmals ein Erfahrungsbericht über die Auswirkungen der auf der Ebene des Bundes und vereinzelter Kantone neu geschaffenen unabhängigen Aufsichtsbehörden vor.