Obwohl fast alle Kindertherapeut*Innen mit ihren Patienten spielen und es vielfältige Literatur zum therapeutischen Spiel gibt, haben wir den Eindruck, dass das Spiel selten als eigenständiges therapeutisches Instrument genutzt wird. In der Verhaltenstherapie dient das Spielen oft zum Beziehungsaufbau und als Verstärker am Ende der Therapiestunde. Es fehlt jedoch an Wissen, wie Rollenspiel und freies Spiel im therapeutischen Prozess zielführend eingesetzt werden können. Mit der Biografisch-Systemischen Spieltherapie (BSST) haben wir einen integrativen Ansatz für Kinder von 4-12 Jahren entwickelt, der dazu beitragen soll, dass Kindertherapeut*Innen sicherer und kompetenter darin werden, wann und wie sie spieltherapeutische Strategien einsetzen. Daran gekoppelt ist unsere Überzeugung, dass sich die Therapiequalität und der Behandlungserfolg durch einen konzeptionell geleiteten Einsatz von spieltherapeutischen Interventionen verbessert. Die BSST ist eine technische Variante der Verhaltenstherapie und dient dazu die strategische Vielfalt von Kindertherapeuten zu erweitern. Dementsprechend gilt es, im Sinne der aptitude-treatment-interaction, sorgfältig zu prüfen, ob die beschriebenen spieltherapeutischen Strategien für die jeweilige Patient*in in der jeweiligen Therapiephase geeignet sind. Keinesfalls sollte die BSST als dogmatisches Prinzip missverstanden werden, an das sich die Patient*in anzupassen hat. In machen Stunden sind spieltherapeutische Strategien das beste therapeutische Mittel, weil die Spielfreude und hohe Lernbereitschaft im Spiel therapeutisch optimal zur Veränderung genutzt werden können. In anderen Fällen kommen auch schon Vorschulkinder in die Therapie und fordern von der Therapeut*in „Tipps“ und ein „Besprechen“ ihrer Probleme geradezu ein. In diesem Fall wäre auch in der BSST ein Beharren auf spieltherapeutischen Strategien ein Kunstfehler. Die Therapeut*in muss die Flexibilität bewahren diejenige Strategie zu wählen, die zur jeweiligen Patient*in in der jeweiligen Stunde passt. Kommt eine Patient*in mit einem hohen Redebedürfnis ist dies aktiviert und sollte therapeutisch genutzt werden. In einem anderen Fall inszeniert ein Kind in einer Spielszene möglicherweise sein Problemverhalten, so dass sich spieltherapeutische Interventionen eignen, um das Verhalten zu adressieren. In beiden Fällen reitet die Therapeut*in sozusagen auf der „Welle“ mit, die die Patient*in anbietet. Die BSST ist als eine strategische Variante der Verhaltenstherapie, wie sie insbesondere als Langzeittherapie in der kassenärztlichen Versorgung möglich ist, zu verstehen. Unsere Grundüberlegungen sind aus unserer Sicht unter Anpassung verfahrensspezifischer Modifikationen auch im Rahmen psychodynamischer oder systemischer Kindertherapien im anzuwenden. Die verfahrensspezifische Anpassung der BSST wären von entsprechend ausgebildeten psychodynamischen oder systemischen Psychotherapeuten vorzunehmen.
Die Autor:innen
Emily Carroll ist Diplom-Psychologin sowie Psychologische Psychotherapeutin mit Fachkunde Kinder- und Jugendpsychotherapie. Sie arbeitet in der Praxis „Paidion- Heilkunde für Kinderseelen“ und ist Dozentin am Institut für Verhaltenstherapie-Ausbildung in Hamburg (IVAH). Ihre Schwerpunkte sind Diagnostik, Sucht im Erwachsenen- und im Jugendalter und Elternarbeit im Rahmen der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.
Dr. phil. Dipl.-Psych. Gerhard Zarbock ist Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie sowie Leiter des Instituts für Verhaltenstherapie-Ausbildung in Hamburg (IVAH).