Stellt man sich die Frage nach der Geltung von Religion in der Gegenwart, so ergibt sich eine vieldeutige Antwort. Die Schweizer Statistiken beweisen ein anhaltendes Zurückgehen der Mitgliedschaft in den beiden grossen christlichen Kirchen. Andererseits pflegen 90% der Schweizer Bevölkerung das regelmässige Gebet. Die Verknüpfung von Religion und Institutionen lockerte sich, wogegen Religion im Persönlichen und Individuellen nach wie vor über Bedeutung verfügt. Ihre Geltung überschreitet indes den privaten Raum, wie auf eindrückliche Weise der medial begleitete Tod von Johannes Paul II. offenbarte. Am greifbarsten wird die Geltung von Religion in der Öffentlichkeit, wenn sie sich mit Gewalt verknüpft: Ein sich religiös rechtfertigender Terrorismus steht zuoberst auf der Agenda heutiger globalisierter Gesellschaften. Gerade diese gewalttätigen Folgen von Religion verstärken die Einsicht, dass Religion für die moderne Welt individuell wie gesellschaftlich oder politisch von eminenter Bedeutung ist oder wieder geworden ist. Man spricht deshalb von einer «Rückkehr der Religionen» oder von einer «Wiederkehr der Götter». Diese Feststellung verbindet sich mit dem Erstaunen der Zeitgenossen darüber, dass ein solches Aufleben möglich ist. Dieses Erstaunen teilt die wissenschaftliche Erforschung von Religion. Gerade wegen der offenkundigen gesellschaftlichen Bedeutung der Religion drängt sich auf, das heutige Phänomen in seiner vielfältigen Ausgestaltung wissenschaftlich gründlicher zu erforschen. Diese letztjährige Rektoratsrede von Professor Ulrich Gäbler war der letzte rhetorische Höhepunkt der Dies-Reden des scheidenden Rektors der Universität Basel. Der Theologe und Kirchenhistoriker Gäbler landete wieder fulminant bei seinem Thema. Seine Rektoratsreden am Dies academicus sind in BUR 95-103 publiziert.