Wörterbücher gelten selten als sexy, sind bei genauer Betrachtung aber faszinierend - gerade bei einem Reizthema wie der Sexualität. Da diese kulturell geprägt ist, erlaubt die lexikographische Analyse ein Verständnis von Geschlechterrollen und Tabus. Das Buch widmet sich französischsprachigen Spezialwörterbüchern zum Sexualwortschatz und analysiert sie diachron aus gender- und tabulinguistischer Sicht. Nach der Darstellung der Textsorte von ihren Anfängen bis heute widmet sich die Analyse ca. 4000 Verben und den dazugehörigen Zitaten aus sechs ausgewählten Werken des 19. und des 20./21. Jahrhunderts. Die Einteilung in semantische Bereiche und die Zuordnung semantischer Rollen gibt Aufschluss über Prototypen sexuellen Handelns und geschlechtsspezifische Rollenzuweisungen. Hier zeigt sich eine diversere Repräsentation von Sexualpraktiken und zugleich eine Konstanz männlicher Agentivität. Auch die werkspezifische Evaluation von Sexualsprache und -praxis wird geprüft, wobei etwa Homophobie und die Relativierung sexueller Gewalt rückläufig sind. Die Arbeit bietet einen erstmal vollständigen Überblick über eine kaum beachtete Textsorte und zeigt, dass ihre Entwicklung in Teilen als Geschichte der Emanzipation zu verstehen ist.