Was wäre in Neapel aus ihm geworden, in der Stadt seiner Eltern? Als Kind plagte ihn die Angst, die Schweiz und alle seine Freunde verlassen zu müssen. Darum war es für ihn wie eine Befreiung, als 1980 in Süditalien die Erde bebte und innerhalb von neunzig Sekunden die Rückkehrpläne der Eltern in Schutt und Asche lagen. Nach dem Tod des Vaters, viele Jahre später, begibt sich der Er zähler auf Spurensuche nach Neapel, eine Stadt, deren Sprache er zwar spricht, deren Gesetze ihm aber fremd sind. Unter den vielen Geschichten, die er hier hört, lässt ihn eine nicht mehr los, die Geschichte von Antonio Esposito: ein gestohlenes Migrantenkind aus Westafrika, das in eine Camorrafamilie aufgenommen wurde, eine kriminelle Karriere machte und dann spurlos verschwand. Was ist aus diesem Antonio geworden? Ist er tot? Hat er eine neue Identität angenommen? Oder ist er untergetaucht im hoffnungslos überfüllten Castel Volturno, als Namenloser unter Tausenden von afrikanischen Migranten? Franco Supino schaut mit einem unsentimentalen Blick auf das ebenso schöne wie abschreckende Neapel. Was sein Protagonist über Antonio Esposito in Erfahrung bringt, ergibt keine lückenlose Geschichte, sondern ein faszinierendes Vexierbild. Die Figuren, die diese Stadt und diesen Roman bevölkern, seien es Camorristi oder Künstler, Handwerker oder Heilige, Kinder der Madonna oder Helden der Vergangenheit, sie alle verbindet eine verzweifelte Zu versicht: »Der Vesuv dampft? Explodieren wird er erst morgen!«